Hexenhammer

Was passiert ist:

Der AfD-Abgeordnete Rainer Podeswa hat heute (11.05.2017) im Baden-Württembergischen Landtag empfohlen, den Hexenhammer zu lesen. Dieses „europäische Standardwerk“ fasse alle Methoden zusammen, mit denen im 15. Jahrhundert in Ravensburg die Klimakatastrophe bekämpft worden sei: „Damals wurden Hunderte Frauen verbrannt und damit das Klima gerettet.“

Später erklärte er, er habe dies ironisch gemeint. Die Maßnahmen damals seien genauso sinnvoll gewesen wie die Mehrheit der Maßnahmen, die heute von den Grünen im Klimaschutz ergriffen würden.

 

 

Warum ich das nicht stehen lassen möchte:

Der Hexenhammer ist eines der menschenverachtendsten und frauenfeindlichsten Bücher der Menschheitsgeschichte.
Im Hexenwahn wurden bis ins 18. Jahrhundert zwischen 60.000 und 80.000 Menschen (überwiegend Frauen) gefoltert und getötet.
Um sich ein Bild davon zu machen: Bei den Bildern unten sind das zwei getötete Frauen mit jeder Zeile, bei über 800 Seiten.
Das Buch verbreitete Angst vor Dämonen, Hexen und Magie. Frauen mussten als Sündenböcke für jedes erdenkliche Übel herhalten.
Wer sich gegen die Theorien des Hexenhammers stellte oder Frauen schützen wollte, wurde als Ketzer ebenfalls verurteilt und hingerichtet.
Die Stelle, auf die sich der Abgeordnete Podeswa bezieht, berichtet von Ereignissen aus der Baden-Württembergischen Stadt Ravensburg.
Das stellt unser Land in eine besondere Verantwortung gegenüber der Geschichte.
Erst Recht die Abgeordnten des Landtages.
Den Hexenhammer heute politisch zu instrumentalisieren entbehrt jeglichen Respekts, Geschmacks und Schamgefühls.

 

 

Wie ich mich informiert habe:

Ich habe die entsprechende Stelle im Hexenhammer gesucht und gelesen.
Ausführlich wird berichtet, wie im mittelalterlichen Ravensburg (wohl um 1484) zwei Frauen verhaftet wurden: Anna Baderin und Agnes Mindelheimerin. Detailliert wird beschrieben, wie sie unter Folter gestanden, mit einem Dämon gemeinsam einen Hagelzauber verursacht zu haben. Man hat sie darauf der Hexerei für schuldig befunden und „so wurden sie am dritten Tage eingeäschert; und die Baderin, zerknirscht und geständig, befahl sich Gott sehr an, indem sie bemerkte, sie sterbe gern, um den Gewalttätigkeiten der Dämonen entgehen zu können, wobei sie das Kreuz in den Händen hielt und umfasste, was jedoch die andere verweigerte. Diese (Anna) hatte auch einen Inkubus-Dämon unter jeder Ableugnung des Glaubens gehabt.“
Diese Beschreibung wird im Hexenhammer als Beleg angeführt, dass Hexen das Wetter und Klima beeinflussen können: „Schon der Verstand sagt uns, dass wenn sie (die Hexen) mit dieser Leichtigkeit Hagelschlag bewirken können, sie bestimmt auch Blitze bewirken können und auch Stürme auf dem Meer. Daher wird jeder Zweifel ausgeräumt.“
Die Argumentation ist also: Jedes schlechte Wetter kann von einer Hexe kommen. Diese stirbt entweder gern, oder ist so sehr besessen, dass sie sich zu wehren versucht.

 

 

Wie ich protestiere:

Ich habe Farbe aus Asche hergestellt.
Ich habe die Asche auf die entsprechende Stelle im Hexenhammer aufgetragen.
Im Protest gegen jeden religiösen und politischen Fanatismus.
Im Protest gegen jede Form von Diskriminierung und Gewalt – speziell gegen Frauen.
Im besonderen Gedenken an Anna Mindelheimer und Agnes Bader.

Herr Podeswa, womöglich verstehen Sie diese Form von Kunst nicht und können nicht viel damit anfangen. Damit kann ich leben. Ich verstehe Ihre Form von Humor und Ironie ja auch nicht. Auch damit kann ich leben. Was ich nicht akzeptieren kann, ist die Verharmlosung von Gewalt und Frauenverachtung sowie die politische Instrumentalisierung von solch unheilvollen Büchern wie dem Hexenhammer.

 

 

(Nachtrag: Die ersten Medienberichte haben nicht sauber dargestellt, dass die AfD in Wirklichkeit gar keine Frauen verbrennen will (Wahnsinn, dass man das ernsthaft in Erwägung ziehen könnte!), sondern es ironisch gemeint war. Das habe ich wohl verstanden. Mir geht es nicht darum, anzuprangern, die AfD sei für die Wiedereinführung des Scheiterhaufens. Vielmehr ist diese Aktion meine Antwort drauf, dass Umweltschutz mit der Ideologie des Hexenwahns verglichen wurde – und das hat der Abgeordnete der AfD wirklich getan. Das zieht die 60.000 Toten ins Lächerliche und wird dem Hexenwahnsinn nicht gerecht.)

 

Aus Asche und Ei eine düstere Farbe zu mischen, war anschließend Grundlage für ein weiteres Projekt. Die vierzig Tage der Fastenzeit 2018 habe ich jeden Tag ein Quadrat aus dieser Farbe gemalt und im Garten aufgehängt: Quadrate aus Asche.