Saharastaub – alles hängt mit allem zusammen

Die vergangenen Tage war der Himmel gelb. Saharastaub. Raphaela hat für mich ein paar Gramm Staub gesammelt. Ich habe daraus Tusche gemacht.

Den ganzen Tag lang zeichne ich Tusche-Bilder. Es sind lauter Striche auf Din A 3- und Din A 4-Papier. Kein Strich berührt den andern. Aber alle hängen unsichtbar zusammen. Ich zeichne ohne großen Plan und folge der spontanen Intuition. Die Striche finden selber den Weg. Ich meditieren und höre auf, nachzudenken. Einziges Ziel: am Ende wieder am Anfang anzukommen, so dass sich der Kreis schließt.

Saharastaub kennt keine Staatsgrenzen, der Wind trägt ihn überall hin, über tausende Kilometer. Die Staubbewegungen und deren Bedeutung für die Ökosysteme sind noch weitgehend unerforscht. Aber es scheint so zu sein, dass am einen Ende der Welt bestimmte Pflanzen nur wachsen können, weil der Wind seit Millionen von Jahren Nährstoffe und Mineralien als Staub aus anderen Erdteilen dorthin transportiert.

Staub ist wie Trost im Krieg

Wir wissen noch so wenig darüber, wie sehr wir mit allem zusammenhängen. Anstatt darüber zu staunen, und uns als Brüder und Schwestern alles Lebendigen (und sogar des Unlebendigen) zu begreifen, ziehen wir künstliche Grenzen, führen Krieg und erklären selbst unsere engsten Geschwister zu Feind:innen. Der Saharastaub ist für mich wie ein Trost im unsäglichen Krieg gegen die Ukraine. Er verbindet uns und sagt: Wir leben unter demselben Himmel, gehen auf derselben Erde, atmen dieselbe Luft und es legt sich derselbe Staub auf uns.

Ein Windhauch kann die Bilder wieder zerstören

Ich verzichte bewusst auf Bindemittel. Das heißt: Nach dem Trocknen der Tusche kann ein Windhauch den Staub wieder wegpusten. Er verbindet sich nicht mit dem Papier. Ich will den Staub nicht aufhalten. Die Kunstwerke sind sehr empfindlich und im Prinzip temporär.

Übungen mit Asche

Bevor ich mich an die Tusche mit Staub herantraue, will ich mit Asche probieren. Asche und Staub. Erst im Tun fällt mir der symbolische Zusammenhang zur Fastenzeit auf. Auch merke ich erst später, wie ursprünglich dieses Tun ist: Farben aus Asche, Erde und Wasser herzustellen um einfache Ornamente zu malen – das verbindet mich mit meinen Vorfahr:innen der frühen Menschheit.

Fragen, die mich umtreiben

Ich schreibe meine Fragen auf mit Tusche aus Asche. Darüber zeichne ich Striche aus Saharastaub. Die Fragen lassen mich ratlos. Trotzdem habe ich das Gefühl, der Staub halte alles zusammen.

Wie kann ich die Nachrichten sehen, ohne zu verzweifeln und ohne abzustumpfen? Wie kann ich mir ein unschuldiges Lächeln bewahren? Wie kann ich weiterspielen? Wie kann ich mich berühren lassen, ohne mich zu verletzen? Wie kann ich abends entspannt die Augen schließen, wenn ich sie tagsüber offenlassen will? Wie kann ich die einen lieben, ohne die anderen zu hassen? Wie kann ich meine Ohnmacht akzeptieren, ohne meine Kraft zu verlieren? Wie kann ich nicht zynisch werden? Wie kann ich nichts tun können?


Verwandt mit Quadrate aus Asche, mit langsame Linien und mit nichts erreichen müssen.

Inspiriert von Erik Sturm, Kamilla Szíj und Martin Blumenroth. Danke an Raphaela Vogel.


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1 Kommentar

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Finde ich sehr schön und eine gute Idee. Ich habe leider noch die Chance gehabt in Ruhe über alles zu meditieren, auch den Trost habe ich leider noch nicht gefunden.
¯\_(ツ)_/¯

PS: wenn Du mehr Staub brauchst, auf unserem Auto ist auch noch welcher 😉

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