„Was machen die da bei meinen Pflanzen?“
Ich habe als Kunst- und Spielaktion Schlaglöcher bepflanzt. Eine Familie mit sichtbarem Migrationshintergrund steht nun mit einem Kinderwagen genau an dem einen Schlagloch, aus dem die Pflanzen immer wieder geklaut werden. Schon zum vierten mal habe ich Blumen für diese Stelle gekauft, meistens waren sie bereits nach 24 Stunden verschwunden. Nicht zerstört, nicht weggeworfen, fein säuberlich ausgegraben. Und – ich gebe es zu – es macht mir in gewisser Weise auch Spaß, trotzig wieder neue Pflanzen einzusetzen. Schließlich heißt die Aktion auch so: Zum Trotz.
Ich habe mich schon oft gefragt, wer es wohl ist, der sich die Blumen holt. Und wozu. Und ob derjenige sich auch fragt, wer es wohl ist, der die Blumen hier pflanzt. Und wozu. Wir führen ein unsichtbares Gespräch – ohne uns zu kennen. Aber jetzt sieht es so aus, als lernten wir uns gleich kennen und als klärten sich diese Frage auf. Ich kann es zwar noch nicht ganz genau erkennen, aber es ist offensichtlich: Die Mutter hat sich gebückt und sie hat etwas in den Kinderwagen gepackt. Dann geht die ganze Familie weiter. Sie kommen direkt auf mich zu. Ich versuche zu erkennen, was sich unten im Kinderwagen befindet. Als sie fast auf meiner Höhe sind, sehe ich die Blumen. Nicht im Kinderwagen und nicht in einer der Taschen, die sie tragen, sondern dort wo ich sie eingepflanzt habe: im Schlagloch. Alle noch da.
„Was aber haben sie dann dort getan?“ Ich bin verwirrt. Im Kinderwagen, wo ich die ausgegrabene Pflanze vermutet habe, ist nur eine Kinder-Trinkflasche. Als ich aber beim Schlagloch ankomme, wird es mir klar: Die Pflanze ist frisch gegossen. Die Familie muss das Trinken des Kindes mit der durstigen Blume geteilt haben.
Ich bin gerührt und beschämt.
Zur Hauptseite der Aktion: Zum Trotz
1 Kommentar
Sehr schöne Geschichte.