Ich sammle „JA“ und „NEIN“ von Fremden: position

Zwei unterhielten sich: „Ich check nicht, was das soll!“ „Ich schon!“ „Du verstehst das?“ „Ja, ich finde das gut!“ „Ich nicht!“
Zwei unterhielten sich: „Ich check nicht, was das soll!“ „Ich schon!“ „Du verstehst das?“ „Ja, ich finde das gut!“ „Ich nicht!“

Ich hätte nicht gedacht, dass es eine so intensive Erfahrung werden würde:

An verschiedenen Abenden habe ich in der Innenstadt in Esslingen Fremde angesprochen und sie gebeten, an jemanden zu denken, dem sie Ja sagen möchten. Und dann auch an jemanden, dem sie Nein sagen wollen. Beides, Ja und Nein, sollten sie dann in der eigenen Handschrift auf je eine Karte schreiben.

Das war schon alles. Was ich dabei erlebt habe, ist hier zu lesen: Position.

Warum ich das mache? Ja und Nein sind mächtige Wörter. Mit ihnen positionieren, definieren und identifizieren wir uns. Vielleicht sind es die mächtigsten Wörter, die wir haben. Durch sie sind wir, wer wir sind. Sie können unendlich viel Kraft kosten. Man kann an ihnen zerbrechen. Gleichzeitig bilden sie die ursprünglichste Kommunikation: Selbst Kleinkinder und sogar Tiere können Zustimmung und Ablehnung ausdrücken. Den Großteil unserer JAs und NEINs sagen wir unbewusst: durch Körpersprache, Satzmelodie, Mimik. Viele JAs und NEINs sind privat, intim, persönlich. Viele verschweigen wir. Manche lügen wir.

Es ist ein einfaches Spiel. Es ist aber auch ein persönlicher Akt. Das war deutlich zu erkennen. Die Leute ließen sich Zeit. Überlegten. Schwiegen. Sie strahlten eine seltsame Mischung von Verletzlichkeit und Kraft aus, von Unsicherheit und Selbstbewusstsein. Ich meinerseits habe niemals nachgefragt, wem das Nein oder Ja gilt. Nicht selten hatte ich das Gefühl, dass mir mit den beschrifteten Karten ein Geheimnis anvertraut wurde, eine große Geschichte, die ich zwar nicht kannte, die mir aber doch mitgeteilt wurde. Und obwohl ich nichts verstand, war ich nicht selten dankbar. Die Karten sind mir wertvoll.

 

Hier zum Gesamtprojekt: position.