Graffiti aus Licht

 

Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt.  Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze,  ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Habt ihr ihn gesehen,  den meine Seele liebt? -HOHESLIED-

 

Ausgerüstet mit einer Taschenlampe und meiner Kamera, suchte ich die dunkelsten Ecken von Altbach. Während einiger Langzeitbelichtungen “sprayte” ich aus Licht meine Texte an die Häuser und Wände. Danach war alles wieder dunkel und ich nassgeschwitzt.

Ich ließ mich inspirieren von Florian Krause und vom biblischen Hohelied (Kapitel 3), wo eine Frau/ein Mädchen aus Sehnsucht durch die Stadt streitft und ihre Liebe sucht. Sucht sie Gott (wie es traditionell gedeutet wird) oder ist es ein erotisches Lied (moderne Forschung)? Mir egal! Sehnsucht ist Sehnsucht und es gibt nur eine Liebe!

Mich fasziniert, dass diese Graffitis aus Licht nie real zu sehen sind. Nicht nur, dass mit dem Morgen das Licht kommt (und damit auch die nächtliche Sehnsucht verschwindet?). Auch ist in jedem Moment immer nur ein Lichtfleck zu sehen, und nur die Kamera, die einen längeren Zeitraum “überblickt”, macht die Bewegung zu sichtbarem Text. Die Nacht und die Zeit machen es möglich.

Die Leute, die in diesen Häusern leben, haben nichts (oder fast nichts) von alledem bemerkt, und wenn sie jetzt am Tag auf dem Weg zum Bahnhof oder in die Tiefgarage an den Wandflächen vorbeigehen, stellen sie keine Veränderung fest. Altbach ist Altbach wie an jedem anderen Morgen. Ich aber stelle mir vor, wie die Schrift noch immer leuchtet. Bis in alle Ewigkeit. Auch dann wenn die Mauern schon zerfallen sind.

“Bis du mich findest”.

Deshalb habe ich am Ende auch in die Luft geschrieben.

Und so warte ich, bis sich die letzten beiden Bilder übereinanderlegen.

 

 

IMG_5898